von Ernie Scheiner
Ardgowan, neue Distillery
Die 35 km westlich von Glasgow, südlich von Greenock am Südufer des Firth of Clyde in Inverkip im Bau befindliche "£20 million ‘cathedral of whisky’ distillery" Ardgowan möchte ab 2025 in der ersten Phase rund eine Million Liter reinen Alkohol destillieren und zu Whisky verarbeiten.
Ende Oktober 2024 kamen die beiden Brennblasen von Prestonpans nach Inverkip. Kupferschmiede von McMillan hatten sie speziell nach den Bedürfnissen Ardgowans gefertigt. Zwar sind sie traditionell per Hand gedengelt und im für Schotttland typischen Swan Neck Pot Still Stil geformt, zeigen sie jedoch auch Merkmale eines technologischen Fortschritts.
Ihre Höhe von 6,4 m bzw. 5,4 m und ihr Fassungsvermögen von 12 000 bzw. 9 000 Liter erlaubt die Destillation von großen Mengen Alkohol. Das Besondere:
"Sie verfügen über die Technologie der thermischen Dampfrekompression (TVR),
die Energieverschwendung durch Komprimieren und Wiedereinführen von Dampf in den Prozess reduziert."
Die Installation der TVR-Destillationsanlage bei Ardgowan wird 40 % der Wärme-Energie zurückführen.
Im April 2025 soll der erste Spirit durch den Safe sprudeln.
Quelle Fotos: Facebook Ardgowan Distillery.
Sie sind Teil eines energiesparenden Konzepts. Nach eigenen Angaben möchte Ardgowan bei der Produktion "innerhalb der nächsten fünf Jahre Netto-Null-Emissionen erreichen."
"Neben ihrer technischen Effizienz sind die Destillieranlagen auch mit einem präzisionsgefertigten Kondensator mit 315 Rohren an der Rohbranddestillieranlage ausgestattet,
der sowohl den Spirituosencharakter als auch die Energieeffizienz verbessert."
Produktion
Nach eigenen Angaben erlaubt die Zukunft sogar eine Steigerung ihrer Kapazität in der zweiten Phase auf zwei Millionen Liter Gerstenspirit pro Jahr. Mit einer Erweiterung auf vier Brennblasen und dazu gehörigen Washbacks wird dies ermöglicht. Auf dem historischen 10 000 Acres großen Ardgowan Estate mit dem feudalen, palladianisch-prachtvollen Herrenhaus aus dem 18. Jhd. sollen Teile der in zwei Paaren von Swan Neck Pot Stills zweifach gebrannten Gersten-Spirits in Sherry-Fässern reifen.
„What we want to make is a great robust spirit, very fruity, able to stand up to a lot of sherry maturation –
so something Highland Speyside is what we’re going for.”
sagt der CEO Martin McAdam.
Übertragung ins Deutsche: „Wir möchten einen großartigen, robusten Spirit herstellen, sehr fruchtig, der lange Sherry-Reifung verträgt – also etwas aus dem Highland Speyside, was wir anstreben.“
Die Herstellung wird die Waliserin Laura Davies verantworten. Sie leitete seit 2012 die Produktion der walisischen Destillerie Penderyn. Ihr Verantwortungsbereich erweiterte sich dort im Oktober 2021, als sie die Position einer General Managerin der Destillerien Penderyn, Llandudno und Swansea übernahm. Im November 2024 wechselte sie überraschend in die Funktion einer Brennereileiterin zur Ardgowan Distillery. Laura ist mit Stephen Davies, dem CEO der Penderyn Distilleries, verheiratet. Über die Distanz wird Stephen eine Woche in Penderyn arbeiten und die andere Woche im Home Office von Schottland aus. So bleibt die Familie zusammen.
Im Scotsman vom 5. November 2024 wird ausführlich über Ardgowan und Laura Davies berichtet: "Ardgowan welcomes new distillery manager...
Woher kommen die Infinity-Sherry-Fässer?
Bei einer möglichen Jahresproduktion von einer Million Liter reinen Alkohol ist der Fassbedarf an Sherry-Fässern gigantisch. Da die Küferreien in Jerez diese für Ardgowan nicht alleine decken können, ist anzunehmen, dass zur Reifung des Ardgowan Destillats ebenfalls Bourbon Barrels zum Einsatz kommen (angefragt).
CEO Martin McAdam erklärt, daß
"75 to 80 % des [Ardgowan Whiskies] in Sherry-Holz reifen wird."
...
Aussagen zufolge, sollen jährlich rund 1 000 neue Infinty Casks™
mit Ardgowan Spirit gefüllt werden.
Der Markt der Seasoned Sherry-Fässer ist in den vergangenen Jahren enger geworden, da die globale Whisky-Industrie Sherry-Fass-gereifte Whisky-Variationen wiederentdeckte und die Nachfrage in die Höhe trieb. So hat der schottische Edrington Konzern 2023 und 2024 Anteile an der Bodegas Estévez y Vinedos und der Küferei Tevasa mit ihren Sägewerken sowie die Küferei Vasyma erworben. Siehe hierzu ausführlich meinen Artikel "Edrington sichert sich Sherry-Fässer."
Daher verwundert es nicht, dass bereits im Frühjahr 2023 der CEO Martin McAdam zusammen dem Hauptinvestor und Director of Investments, Roland Grain, für die Lowland Distillery einen Art Sicherungsvertrag über die Lieferung von Sherry-Fässern in Höhe von "£100 million" mit der Toneleria José y Miguel Martín geschlossenen hatte. Damit soll die Versorgung "...secure a decades long supply of ‘infinity casks.’" Der bis Juli 2022 als Master of Wood bei Edrington tätige Stuart MacPherson - Macallan, Highland Park, Famous Grouse, Glenrothes - hatte vermutlich rechtzeitig und vorausschauend Ardgowan diese Partnerschaft angeregt. Allerdings, die ersten Seasoning Fässer reifen bereits und sollen bis zum Produktionsstart zur Verfügung stehen.
"The Ardgowan Infinity cask is specifically designed for us and is the first unique cask design for the Scottish Whisky industry in over a century.
The casks are specifically designed for long-maturation and will be seasoned with organic sherry for 27 months – far longer than the industry standard of 12-18 months,"
erklärte CEO Martin McAdam stolz,
“While others hurry to take their whisky to market
Ardgowan has made a conscious decision to delay
the introduction of our single malt to market to make sure we’re getting the most out of these special casks.”
(Quelle Ardgowan Pressemitteilung).
Übertragung ins Deutsche: "Das Ardgowan Infinity-Fass wurde speziell für uns entworfen und ist das erste einzigartige Fassdesign für die schottische Whiskyindustrie seit über einem Jahrhundert. Die Fässer sind speziell für eine lange Reifung ausgelegt und werden 27 Monate lang mit Bio-Sherry gelagert – weitaus länger als der Branchenstandard von 12 bis 18 Monaten. Während andere es eilig haben, ihren Whisky auf den Markt zu bringen, hat Ardgowan die bewusste Entscheidung getroffen, die Markteinführung unseres Single Malts zu verzögern, um sicherzustellen, dass wir das Beste aus diesen besonderen Fässern herausholen.“
Das geheimnisvolle Ardgowan Infinty Cask™ wurde als eingetragene Marke geschützt und wird demnach exklusiv für die Brennerei in Jerez für Ardgowan in der Größe von maximal 700 Liter medium getoastet geböttchert. Nach den Scotch Whisky Regulations ist dies die maximale erlaubte Fassgröße für eine Whisky-Reifung.
Hinweis: In der Industrie wurden Fässer mit einer Kapazität von 700 Liter gerne als Gorda bezeichnet. Die Blender setzen sie oft als Marrying Vats zum Verschneiden von Whiskies ein. Dieser Fasstyp aus amerikanischer Eiche soll seinen Ursprung in den USA haben, wo es vorwiegend im Whiskey-Handel zur Lagerung großer Mengen Whiskey diente.
Und in den Bodegas von Jerez waren die "fetten Fässer" ebenfalls bekannt: "In Jerez ist das Reifegefäß schlechthin die „bota jerezana“ mit einem Fassungsvermögen von 600 Litern (entspricht 36 Arrobas). Obwohl seine Abmessungen je nach Böttcher leicht variieren können, sind sie normalerweise ungefähr wie folgt: 136 cm lang (la talla), 102 cm an der breitesten Stelle (el bojo). Die überwiegende Mehrheit der durch die Herkunftsbezeichnung geschützten Weine reift in dieser Art von Behälter, obwohl sie oft nur zu 5/6 ihres Fassungsvermögens gefüllt sind, um die Entwicklung des Hefeschleiers zu begünstigen, den wir „la flor“ nennen und der ein wesentliches Element für die „biologische Alterung“ ist. Diese Art von Fass ist auch allgemein als „bota gorda“ (fettes Fass) bekannt. Die „bota de exportación“ oder das Exportfass, das früher zum Transport des Weins verwendet wurde, hat ein Fassungsvermögen von 500 Litern (30 Arrobas) und ist 130 cm lang und 92 cm breit."
Quelle: Sherry Wine
Beipiel: Marrying Vats zerfallen bei der Convalmore Distillery, Aufnahmen von 2009.
Die Infinty Casks™ werden in den Warehouses von Miguel Martín in Sanlúcar de Barrameda nahe des Atlantiks sowie im Süden der Stadt Jerez einem langen "seasoning for 30 months" mit zertifizierten Oloroso Sherry unterzogen. Nur zehn Prozent der für Ardgowan bestimmte Fässer sollen mit Pedro Ximénez Sherry belegt werden. Die ersten Ardgowan Whiskies sollen allerdings erst nach 2030 -33 auf den Markt kommen, meint Stuart MacPherson.
"Each Infinity casks costs fifty times more than a typical cask...
but to us this cost is irrelevant, the priority is achieving a perfect balance of spirit and wood influence and time is of no consequence."
N.N.*
"The only way to own an Infinty Cask is by becoming a chieftan."
Nur 100 Chieftains oder ihre Erben werden für eine Einmalzahlung von einhundert tausend britische Pfund Sterling für hundert Jahre in den Genuss des Ardgowan-Whisky-Inhalts kommen.
*Die Quelle ist dem Autor namentlich bekannt.
Neu ist dieser Ansatz eines Infinity Casks nicht, denn auch anderen Seasoned Sherry Cask Abnehmer lassen die Dauben ihrer Fässer extensiv bis zu 36 Monaten und mehr von verschiedenen Sherry-Sorten tränken. Es ist wohl eher ein Marketing Tool, das Ardgowan sich rechtlich schützen ließ und für sich exklusiv in Anspruch nimmt.
Zahlreiche unabhängige Abfüller, darunter Celtic Events mit "McNeill's Choice Easy Bordeaux", oder Distilleries wie die in Norfolk ansässige The English Distillery "INFINTIY CASK Distillery Exclusive" werden wohl, wenn sie nicht rechtliche Schritte einleiten, ihre Bezeichnungen überdenken.
Welche Küferei böttchert die Infinity-Casks?
Sechs unabhängige Tonelerias bleiben in Jerez übrig: Huberto Domecq (liefert ebenfalls an Macallan) sowie Antonio Páez Lobato, Tonelería 8 Artesano, Cask and Botas und die sehr kleine Toneleria la Tiesta.
Neu in Jerez angesiedelt ist das Unternehmen José y Miguel Martín. Der Produktionsort der Fässer liegt 80 Km von Jerez außerhalb der DOP Jerez. Bollullos par del Condado liegt nahe Huelva und gehört zur DOP Condado Huelva. Die Böttcherei Martin bezieht jedoch zusätzlich kleinere Fässer von anderen spanischen Zuliefer-Küfereien.
Erst im Oktober 2015 erwarb Martin wegen der strikten Zertifizierungsvorgaben des Consejo Regulador die in Jerez beheimatete Bodega Valdivia (ehemals Ruiz-Mateos) aus einer Konkursmasse. Das Schmuckstück der Bodega ist eine 250 Hektar große Weinlage 'Pato de la Plata', die sich in der Jerez Superior Zone befindet. Hier liegt wohl das Geheimnis der außergewöhnlichen Sherry-Qualitäten von Valdivia. Nach eigenen Aussagen erwerben sie ebenfalls alte Solera-Sherries von kleinen Bodegas. Ob, diese qualitätvollen Sherries für ein Seasoning der Miguel Martín Fässer eingesetzt werden, ist z.Z. nicht bekannt. Anzunehmen ist, dass die der Küferei angeschlossene Kellerei in Bollullos wie seither nach eigenen Angaben von rund 200 Kleinwinzern mit Weintrauben, Most oder Weinen versorgt wird.
Zur Erntemenge 2024 schreibt die in Jerez ansässige Bodega Lustau in ihrem Blog:
"Zweiunddreissig beim Consejo Regulador registrierte Einrichtungen haben Trauben von 6.873 Hektar Weinbergen geerntet und verarbeitet, die fast 1 500 Winzern und mehr als 2 000 landwirtschaftlichen Betrieben gehören. Die Gesamtproduktion ist auf 62 571 050 Kilo gestiegen, was einer Steigerung von
25,39 % gegenüber der im Jahr 2023 geernteten Menge entspricht und eine Rückkehr zu durchschnittlichen Produktionen darstellt, die näher an dem liegen, was in der Region üblich ist."
Mit dem Kauf von Valdivia erhielt Martín SL in der Folgezeit erstmals die Möglichkeit der Zertifizierung durch den Consejo Regulador de vinos de Jerez y Manzanilla. Zur Zertifizierung bestimmte Seasoning Casks müssen ausschließlich in der DO Jerez-Xérèz mindestens zwölf Monate mit Sherry aus der D.O. Jerez belegt und dort reifen. Für die Whisky-Industrie bestimmte Martín-Seasoning-Fässer mit der Auszeichnungsmöglichkeit "Matured in Sherry Casks" liegen daher derzeit in neu errichteten Lagerhäusern in Sanlúcar de Barrameda an der Atlantikküste oder in den Gebäuden der Bodega Valdivia. In einer neu erbauten gigantischen Hallenanlage an der Autobahnausfahrt von Jerez nach Puerto de Santa Maria werden ebenfalls Fässer mit Jungsherry aromatisiert. Die Reifehallen liegen übrigens direkt gegenüber der renommierten Bodega Williams & Humbert. Offiziell heißt die vom Consejo mit Namen zugelassene Bodega José y Miguel Martín.
Die oberen Aufnahmen von der Bodega Valdivia entstanden 2018. Die untere Aufnahme ist aus Google Maps Copyright.
Siehe Link zu Google Map...Copyright Quelle. Die Steelrack -Lagerhallen von José y Miguel Martín an der Zufahrt zur Autobahn nach Puerto de Santa Maria.
NB: Martín-Fässer, die früher ausschließlich in Bollullos reiften und noch reifen (siehe Fotos folgend), dürfen allerdings von den Distilleries nur als Oloroso Cask und nicht als Sherry Cask bezeichnet werden. Beispiel: Die 2013 erschienene Glenfarclas Fino Cask 1966 Release reifte 47 Jahre in drei Fino Fässern. Sie konnte daher nicht als Sherry-Fass-Reifung deklariert werden.
Anmerkung: Miguel Martín hatte vor Jahren erfolglos versucht, den Begriff Sherry Cask für seine Unternehmung patentieren zu lassen.
Die Anfänge von José y Miguel Martín (Foto links).
Die neue Küferei in Bollullos Par del Condado, Huelva, von außen. In den mehrstöckigen Steelrack Warehouses in Bollollus werden die Fässer mit Likörweinen aromatisiert. Große Stainless-Tankbehälter zeigen den Bedarf an. Alle Aufnahmen sind aus dem Jahr 2018.
Eigene Whiskies...
Da die eigenen Ardgowan Whiskies erst nach 2030 erscheinen sollen, haben die Verantwortlichen eine Reihe aufgelegt, die Whiskies anderer nicht genannter schottischer Brennereien verarbeitet.
So vertreibt die Ardgowan Distillery zur Überbrückung unter dem eigenen Label CLYDEBUILT Blended Scottish Malts sowie einen Single Grain, die Ardgowans Whisky Maker Max McFarlaine auswählt und komponiert. Selbstverständlich erweitert ein Dry Gin Ardgowan aus der eigenen in Schottland von McMillan hergestellten 1 000 l Anlage das Portfolio. Unter dem Label Blackwoods werden auch Wodka und Rum folgen. Dieser Teil der Produktion soll in Zukunft auch für andere Unternehmen Spirituosen im Lohnverfahren produzieren. Er gehört zur Distil plc Gruppe, wo Ardgowans österreichischer Investor Roland Grain 20 % Anteile hält.
Zum Autor
Ernie - Ernst J. Scheiner ist der Herausgeber des Portals The Gateway to Distilleries www.whisky-distilleries.net Er dokumentiert über 150 Destillerien fotografisch von innen und beschreibt detailliert die Produktion der Whiskies. Seit seinem Studium an der University of Edinburgh befasst er sich mit dem Thema Whisky und publiziert in Fachmagazinen
wie Das Irland Journal, Kleinbrennerei, Whisky Passion und The Highland Herold. Features und Stories erschienen in den Blogs whiskyexperts, whiskyfanblog und whiskyintelligence. Als Leiter der VHS Ingelheim führte, und nun als Whisk(e)y-Botschafter leitet er Destillations-Kollegs, Studienreisen und Whisky-Kultouren zu den Quellen des Whiskys.
Comments